Winternacht
Atem steigt wie Rauch ins Schwarz
der Nacht zum Sternenhimmel.
Die Hufe heller noch als Quarz,
funkelt’s oben weiß wie Schimmel.
Die Erde knirscht mit jedem Schritt,
sie ruhet aus in dieser Stund‘.
Gedanken kreisen immer mit,
fern tönt der Kauz in seiner Kund‘.
Der Wald fast still, es knistert kaum,
der Fuchs huscht leise talwärts.
Die Eule jagt von Baum zu Baum,
das Auge scharf, mit Kraft im Herz.
Ein Hirsch röhrt dort auf weißem Feld,
es schallt hinaus sein tiefer Ruf.
In schlichtem Frieden scheint die Welt,
als ob der Winter diesen schuf.
Der See liegt kalt, das Eis wie Glas,
ein wenig Mond sich darin zeigt.
Sein Bild erscheint so milchig blass,
das Licht sich fast dem Ende neigt.
Bald schweben Flocken sanft hinab,
sie setzen sich dir hier zu Füßen,
decken zu das finstre Grab
und wollen alles Leben grüßen.
Dann geh‘ ich bald zu Bett und träume,
vom Wunder dieser Winternacht.
Es ist, als ob sie nächtens säume,
die ganze Erd‘ in ihrer Pracht.
© Holger Rudolph 2012
Sonne
Sieh! Eos den Tag wohl erwecket;
zart strahlende Augen aus Licht.
Erlösung vom Dunkel, erpicht,
dass sie keines hienieden erschrecket.
Helios Wagen steiget auf, erquicket
jeglich‘ Leben auf irdischem Rund.
Gibt in Wärme und Glanz gerne kund,
dass das Pantheon des Seins ganz entzücket.
Seine Pferde treibt er voran,
damit Werke der Menschen getan,
die sich Mühen in schweißiger Flut,
bis die Last aller Stunden der Glut,
im Abend Trost gar findet
und Selene sie nächtens, gänzlich bindet.
© Holger Rudolph 2012
Blumenströme fließend im Licht.
In blütener Reinheit, gestreute
Blätter wie aus zartem Gesicht.
Ewiges Antlitz, engelhaft heute
und gestern. Morgen Schwestern
der entsprungenen Hoffnung Leben.
Den Tiefen entnommen, gegeben
aus Händen, Brüsten, der Lenden
Kraft. Gezeichnet in Träumen,
als Brüder untrennbarer Bande
säten Samen nach Kriegen im Lande
wuchsen Früchte, an Bäumen
der Freiheit. In Mutters Schoße,
Wogen stiller Geborgenheit,
wiegen sanft kleine und große
Helden der irdischen Einsamkeit
zum väterlichen Rate. Getragen
vom Arm vergebender Milde,
aus gereifter Weitsicht an Tagen,
deren Mühsal und Plagen
im Troste vergehn' . Und ewig weist,
in goldenen Lettern, gesendet im Geist,
corona animae, stillendes Glück,
Wege ins diesseits, Wege zurück.
© Holger Rudolph 2011
Verklärter Odem, reinster Quell,
Ursprung des Seins, öffnest hell,
Pforten und Tore größter Macht,
schenkst die Tage, stielst die Nacht
des bleiernen Todes. Durchdrungen
das Jetzt, ohne Zeit und Raum,
klingst wie Tausend Choräle, gesungen
von jeglicher Seele im Lebensbaum,
der da wächst durch dein Wasser.
Wie Awen der Kraft, gleich Tausendsassa,
die als Vielzahl der Vielen Formen erfanden,
die unendlich gefestigt niemals stranden
in erkennender Liebe. Fruchtbar im Herz,
reckt sich in Tiefen und himmelwärts,
ganz durchdrungen im einen, und dann
unwiderstehlich entrückt im leuchtenden Bann,
der da trägt alles Wissen im Sonnenzyklon.
Offenbar allem Denken und höchster Ton,
brillant erklungen in feinstem Falsett,
als Geschenk so frei und weit als hätt
sich das Dunkel verzogen. Führ deine Strahlen
durch die Welten wie meine,
durch Seele, durch Herz, Mark und Gebeine,
auf das jeglich' Geschöpf am Ende der Tage,
entzweit wird vom hier, entzweit von der Frage.
© Holger Rudolph 2011
Pfeil im Fluge des Lichts,
durchdrungener, ewiger Kreis.
Unendliche Ströme im Gleis,
fern ab von den Fesseln des Nichts.
Gedanken, Erschaffung der Welten,
nur wankend im lückenden Geist,
wenn Wesen in galaktischen Zelten,
entfremden die Quelle, verwaist
wie vertrocknete Erde, Dürre,
gleich Hirnen entrungen der Saft.
Ursprung des Wortes, im Satze die Kraft,
hallender Schlüssel der Türe
zur kristallenen, leuchtenden Macht,
im Grunde des fundus divinitas.
Dimensionen überschreitende Pracht,
die inmitten des Seins, dem Kerne, las.
Diesseitig erhaschend Artefakte.
Jenseitig in Gegenwart allwärtig,
wo ohne Zeit und Raum gefragte
Wahrheit gleicht Gold so wertig.
Mehr als ein thesaurus factorum,
Stummheit in Ermangelung.
S'ist das erkennende, sehende Ich
unendlich aufgelöst.
© Holger Rudolph 2011
Im Frühling Knospen treiben,
von alters her im Licht.
Zeit, sich in die Welt zu weiten,
immer weiter strebt die Sicht.
Im Sommer warme Winde rauschen,
durch der Blattwerk grünes Kleid.
Ist gut, an manchem Tag zu lauschen,
gewagte Wege werden weit.
Im Herbst fällt Buntes gleich den Federn,
Blicke fallen friedvoll mit.
Lang gewährt vom Leben, Zetern,
störet deinen weisen Tritt.
Im Winter lieget dann zu Boden,
verfärbtes Antlitz knitternd braun.
Riecht vermodert gleich den Toten,
wird zur Erde, wird zum Baum.
© Holger Rudolph 2011
Margerite
Am Ufer still, da fand ich dich,
so lieblich wohl im Lichte,
welch ward gesandt ganz inniglich,
zart leuchtend im Gesichte.
Deine Blätter streift der Wind,
streicheln sanft so manches Kind.
Ihr Weiß gleicht Schnee auf Bergeshöhn,
so hell, so rein, so wunderschön.
Du ludst mich ein, gar zu verweilen.
Die Zeit, die sollt' ich mit dir teilen.
Deiner Worte warn' nicht viel -
mehr ein Tanzen, mehr ein Spiel.
Geschenktes Lächeln - ohne Hast.
Für kurz entschwand die lange Last,
die auf das Haupt beständig schlägt,
die unsereins im Nacken trägt.
Begleitet wurd' ich nur ein Stück -
doch ich blicke gern zurück,
erkennend, selbst am Wegesrand,
wächst Hoffnung pur aus Sternensand.
© Holger Rudolph 2011
Ich wanderte im Sonnenlicht,
am Berg die Hänge voller Schnee.
Da plötzlich sah ich dein Gesicht,
viel früher als den Klee.
Deine Kätzchen streicheln zart,
meiner Hände Rücken.
Bist Bote einer frühen Art,
und lässt mich wohl entzücken.
Denn winterlich erscheint die Flur,
im zweiten Monat frostig gar.
Doch du verkündest wie die Uhr,
die Wärme kommt, wie’s immer war.
Und wenn ich schüttle deine Äste,
so ruf ich durch der Pollen Flug,
die ersten Bienen aus dem Neste,
gibt bald Honig aus dem Krug.
Wohlan!, die Tage sind gezählt,
an denen frierend ich verharrte,
als die Kälte mich gequält,
und ich am Leib erstarrte.
Ich fühle dein erwachtes Leben,
gibt mir Kraft im Blütensegen.
Ein Lächeln meine Lippen streift,
bin gewahr, der Frühling reift.
© Holger Rudolph 2011
Wie zartes Gold, als Schleier der Erde,
zeigt sich der Herbst in stummer Gebärde.
Küssend die Wangen der Sonnenzeit,
zum Abschied in buntem Fahnenkleid.
Die Früchte des Sommers sind eingeholt,
für kältere Tage die Schuhe besohlt.
Still legt sich der Nebel im Tau der Frühe,
leicht über’s Moor ganz ohne Mühe.
Die Nachtigall zwitschert ein letztes Lied,
dann geht sie auf Reisen, gen Süden sie zieht.
Im Wald sprießen Röhrling und Ritterling,
im Bett brauner Blätter zum Himmel hin.
Die Tage sind kürzer und dunkler geworden,
kaum Licht das gesandt zum Vertreiben der Sorgen.
Halt inne, oh Mensch, und versuch’s zu tragen,
der Sommer kommt wieder, kein Grund zu verzagen.
© Holger Rudolph 2009
In einem Augenblick erfasst‘ ich still,
dass alles in mir leben will.
Schloss einst die Augen, wurd‘ gewahr,
der Zukunft Heil ganz trübe war.
Noch sah ich nicht der Seele Kern,
und auch der Welten Licht blieb fern.
Verpuppt in seidenem Gefilde,
schlug ich Steine fürs Gebilde.
Ich zog es auf an Mutters Brust,
erkannte bald, dass just,
der Weisheit Stern am Firmament,
nur der Meister selbst benennt.
So wurd‘ ich Schüler auf der Reise,
lernte Weitblick in der Weise,
wie man streckt den Horizont,
und gar kämpft an eigner Front.
Und als ich ward dann wie geschaffen,
legt‘ ich nieder alle Waffen,
und erfasste innen still -
dass alles in mir leben will.
© Holger Rudolph 2009
Ich schwebte nachts im Zelt der Waisen,
tanzend überm Boden – leise,
sodass keins erwachte der Verträumten,
die wie Blüten hier den Boden säumten.
Mit Schleiern mein Gesicht verdeckt,
hat ich fast den Mond versteckt,
der so sanft am Firmament,
meiner Augen Leuchten kennt.
Ich sang ganz still zu jedem Traume,
den ich traf im dunklen Raume,
hauchte Leben in die Bilder,
- Lachen, Leiden, Liebe, Lodern -
manchmal streichelnd, manchmal wilder.
Und als es dämmerte am Morgen,
und gezählt warn alle Sorgen,
zerstreute ich der Nächte Wirren,
in der Sonne Strahlen, die nie irren.
© Holger Rudolph 2009